Die Entscheidung ist gefallen: Nachdem sich der Branchenverband Forum Corporate Publishing in Content Marketing Forum umbenannt hat, scheint der Siegeszug des Begriffes abgeschlossen. Damit haben die Veränderungen und Herausforderungen, denen sich die Kommunikationsbranche aktuell stellen muss, auch einen organisatorischen Ausdruck gefunden. Aber was heißt das für die Menschen, die in der Branche arbeiten? Was heißt das – ganz egoistisch – für den Redakteur Marco Wirth? Meiner Meinung nach nicht so viel, wie man meinen könnte. Denn im Content Marketing steckt sehr viel redaktionelle DNA.
Viel Redaktion im Content Marketing
Für Redakteure ändert sich gar nicht so viel. Bevor jetzt ein Shitstorm über mich hereinbricht: Nein, ich glaube nicht wie Thomas Koch, dass Content Marketing alter Wein in neuen Schläuchen ist. Die Art, wie Inhalte verteilt, optimiert und geplant werden – also die strategische Komponente – muss sich verändern. Die Art des Inhalts und die Anforderungen an die Inhalte – also die operative Komponente – werden sich aber weitaus weniger verändern. Auf den Punkt gebracht: Für den Projektleiter Marco Wirth wird sich viel verändern – für den Redakteur Marco Wirth aber weniger.
Denn betrachtet man, was Experten und Umfragen für Anforderungen an die Inhalte stellen, so kommt mir vieles doch sehr bekannt vor. Nehmen wir zum Beispiel die Studie „Return On Inspiration. New World Content Marketing“ von Yahoo. Dafür wurden jeweils 1.000 Verbraucher in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien befragt. Neben dem Ergebnis, dass gut gemachtes Content Marketing durchaus Wirkung zeigt – laut der Studie steigen dadurch Kaufbereitschaft und Markenbindung – entwickelten die Autoren auch verschiedene Empfehlungen für, wie sie es nennen, inspirierenden Content.
Lesernutzen steht weiter im Vordergrund
Demnach soll erstens Content durch seine Gestaltung den Nutzern Spaß machen und ihre Neugierde wecken. Dem kann ich aus redaktioneller Sicht nur zustimmen. Egal wie gut ein Text ist, wenn das Layout nicht stimmt, wird vielleicht niemand meinen Text lesen. Ich würde diese Empfehlung aber noch ergänzen. Auch der Text muss Neugierde wecken und „Spaß machen“. Die Headline muss die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, der Einstieg muss spannend und darf nicht zu lang sein. Der Text muss einen Spannungsbogen haben. Der Schreibstil muss angemessen und flüssig sein – kurz: Die Text-Qualität muss hoch sein. Zweitens empfehlen die Autoren der Studie Content, der einen Nutzen bietet. Konkret denken sie dabei an Tipps und Tricks rund um das Produkt, das dahinter steckt.
Ich teile diese Einschätzung, würde den Begriff Nutzen aber noch viel weiter fassen. Auch ein unterhaltender Text kann einen Nutzen haben, wenn der Nutzer gerade das Bedürfnis nach Zerstreuung hat. Außerdem sollte man sich auch weiter weg vom Produkt bewegen und Inhalte produzieren, die zu einem größeren Themenbereich gehören. Oder um es etwas knackiger zu formulieren: „Talk around your product, not about your product“. Damit fällt solcher Content aber genau in den Bereich des klassischen Special-Interest-Magazin-Journalismus, der seinen Lesern auch immer eine Mischung aus Nützlichem und Unterhaltung rund um ein bestimmtes Thema bietet.
Content Marketing muss nicht immer auf Häppchen hinauslaufen
Die dritte, vierte und fünfte Forderung – ehrlich und überzeugend sein, die Marke nicht in den Vordergrund stellen und authentisch sein – kann man mit dem Schlagwort Glaubwürdigkeit zusammenfassen. Für mich folgt daraus, dass der Inhalt nicht werblich sein darf. Auch hier sind Redakteure gefordert, die es gewöhnt sind, keine plumpen Werbebotschaften zu formulieren, sondern überzeugende Themen zu finden und zu entwickeln. Außerdem ist es stilistisch wichtig, nicht in einen PR-Sprech zu verfallen, der viele Leser schnell abstößt.
Schließlich empfehlen die Autoren, „schwere Kost zu vermeiden“, also den Content von Umfang und Inhalt her leicht verdaulich zu gestalten. Hier bin ich anderer Meinung. Denn so generell lässt sich das nicht sagen. Schließlich kommt es auf das jeweilige Themengebiet sowie die Zielgruppen an. Speziell im B2B-Bereich muss der Content gehaltvoller sein, da man es vor allem mit Fachleuten zu tun hat, die eine viel höhere Erwartung an für sie nützlichen Content mitbringen. Das kann sich dann auch auf die Länge eines Textes auswirken. Und auch der Stil muss ernsthafter beziehungsweise seriöser sein und nicht primär „unterhaltend“.
Content-Marketing-Strategie als Redaktionsplanung 2.0
Auf der operativen Ebene des Content Marketings finden sich also viele Elemente des klassischen Journalismus oder der redaktionellen Arbeit wieder. Und auch wenn ich eingangs meinte, dass sich vor allem die strategische Ebene verändern wird, heißt das nicht, dass dabei keine redaktionellen Kenntnisse und Fähigkeiten vonnöten sind. Nehmen wir zum Beispiel die Definition von Personas am Anfang der Entwicklung jeder Content-Marketing-Strategie. Sicherlich ist es im Journalismus meist nicht üblich, seine Zielgruppen so fein ziseliert zu definieren. Aber der Anspruch und die Methode, sich ein Bild von seinem Leser zu machen, sind durchaus vergleichbar.
Hinzu kommt, dass im Anschluss definiert werden muss, was diese Personas nun konkret interessiert und wie man sie anspricht. Und das – Festlegen von Themenideen und Entwickeln des Stils – ist Redakteuren bestens vertraut. Und schließlich benötigt die Entwicklung eines Themenplans, in dem mittel- bis langfristig vorgegeben wird, welche Themen, wann und in welchem Format zu spielen sind, ebenfalls redaktionellen Input.
Müssen sich Redakteure also Sorgen um ihre Zukunft machen? Nein, im Gegenteil. Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen sind integraler Bestandteil des Content Marketings. Die Art wie sie arbeiten, wird sich verändern – neue Abläufe und neue Aufgabenprofile werden entstehen, zusätzliches Wissen muss erworben werden. Doch redaktionelle Kompetenz wird dabei immer einen wichtigen Platz einnehmen.