In Medienwirtschaft und Marketing bleibt kein Stein auf dem anderen. Technische Neuerungen und sozialer Wandel ergeben ein neues Mediennutzungsverhalten und/oder umgekehrt. Wer weiß das schon genau? Im Funkenregen der Kommunikations-Angebote fällt es zunehmend schwer, die Sternschnuppen zu erkennen. Egal ob im TV oder auf Facebook, immer mehr Inhalte fühlen sich an wie Trostpreise beim Büchsenwerfen. Kommunikatives Billigspielzeug. Durch die dunkle Brille betrachtet: Alle sind always on, starren in Mobile-Devices wie Homo Faber in seine Kamera und kaufen ihre Waschmaschine an der Bushaltestelle. Keiner legt mehr Wert auf seriösen Journalismus. Alles ist gekauft, geklont, gefälscht. Glauben können wir nur, was geleakt ist. Wo kein Vertrauen ist, kann man auch jeden Trash liken.
Done is better than perfect
Die intellektuelle Dünnsäure-Verklappung der entfesselten Aufmerksamkeits-Ökonomie belastet das nervliche Öko-System. Oder sind das nur kleine Wackelkontakte im Inkubator einer neuen sinnstiftenden Kommunikations-Kultur? Bis alles ausgebrütet ist, gibt es ja manchmal Komplikationen bei so etwas. Möglich. Auf der anderen Seite könnte es sein, dass der Prozess der Dekonstruktion und des Neuaufbaus sich gerade verstetigt. Was bei Schumpeter noch Schöpferische Zerstörung hieß, wird heute gerne als Disruption bezeichnet und dabei wird getan, als wäre das etwas Neues. Disruption heißt, dass die üblichen Innovations-Zyklen durch Start-Ups durchbrochen und eine etablierte Produkt-Nutzung durch völlig neue Erfindungen vollständig ersetzt werden. Done is better than perfect. Die Schnellen fressen die Langsamen.
Disruption – gibt es das überhaupt?
Disruption klingt halt cool, digital native und trendy. Eigentlich ist es nichts Besonderes. Auch in der Wissenschaft ist das Konzept offenbar nicht so recht angenommen worden. Die meisten disruptiven Innovationen wurden in der Vergangenheit von den etablierten Unternehmen adaptiert, deren Marktanteil blieb erhalten (Wikipedia). Wir werden sehen. Denn – wie gesagt – wahrscheinlich haben wir es gar nicht mehr mit Zyklen sondern mit einem verstetigten Innovationsprozess zu tun, der obendrein auch noch alle Bereiche der Gesellschaft erfasst hat.
Navigator
Es ist ein langer Weg. Hausnummer 2014: Die Herausforderungen für Medienwirtschaft und Marketing sind neben Disruption noch: mehrdimensionale Zielgruppenbeschreibungen, viele Kanäle, Kleinteiligkeit, hohe Komplexität, Werberesistenz, zunehmende Digitalisierung und das Smartphone. Schwierig. Aber neu ist das nicht. Abgesehen vom Smartphone galt das alles schon vor 15 Jahren. Sind wir im Kreis gelaufen oder noch gar nicht gestartet?
Türöffner
Hausnummer 1999: Erinnern Sie sich? Erst die Internet-Revolution, dann die Internet-Blase, der Neue Markt, Visionen. Bis es hieß, wer Visionen habe, müsse zum Arzt, die Blase platzte ganz disruptiv und die Langsamen fraßen die Schnellen, denen die Puste ausging. Heute haben wir die gleichen Themen (wieder?) auf dem Tisch. Verlage stehen noch immer vor den Herausforderungen des digitalen Zeitalters. Marketingabteilungen stehen noch immer vor den Herausforderungen der crossmedialen Kommunikation. Bloß kommt jetzt noch das disruptive Facebook und das disruptive Mobile dazu. Innovation sprengt neue Türen auf. Aber es kommt mir vor, als gingen wir seit eineinhalb Jahrzehnten durch sie hindurch in den immer gleichen Raum.
Eine Antwort
Auf den Punkt wie immer. Und natürlich exzellent geschrieben.